„Früher war es nicht so locker“
Gespräch mit dem AOM-Gründungsmitglied Herbert Pax, der das Orchester zwar früh verließ, 2007 aber mit einem „frechen Brief“ ein Comeback feierte.
Es hat schon einige Zeit gedauert, bis Herbert Pax, Gründungsmitglied des Akkordeonorchesters Müllekoven sein Okay gegeben hat: „Ich bin doch nicht wichtig“, „Was kann man schon über mich schreiben“ und „Vielleicht denken die anderen im Orchester, ich wolle mich besonders hervortun.“
Nein, denken sie ganz bestimmt nicht. Und so sitze ich jetzt im gemütlichen Wohnzimmer von Herbert und Sibille Pax. Die Hausherrin bietet selbstgebackene Weihnachtsplätzchen an und Herbert Pax hat zwei Bilder von der Wand genommen, die ihn im Laufe des Abends immer wieder inspirieren: Fotos, die vor langer Zeit aufgenommen wurden. Das eine zeigt das damals ausschließlich aus Jugendlichen bestehende Orchester – es muss irgendwann Mitte der 60er-Jahre aufgenommen worden sein – eine genaue zeitliche Einordnung ist nicht möglich. Das andere Bild wurde später aufgenommen und zeigt Pax mit seiner Band, die erfolgreich Tanzmusik machte und dabei unter anderem auch Engagements beim VfL Gummersbach und dem Messeklub bekam. 1968 war der Stress durch Ingenieurstudium und Band zu groß und das Akkordeon, inzwischen eine Hohner Verdi II m, wanderte in den Keller, wo es übrigens auch heute noch steht.
Schulranzen wurde zum Akkordeon
Angefangen hat aber alles mit einem kleinen Akkordeon mit 48 Bässen: Der Volksschullehrer Hans Rudi Peters, der die Müllekovener Kinder unterrichtete, spielte selbst Akkordeon und infizierte eine Reihe seiner Schüler mit dem Akkordeon-Bazillus. Pax erinnert sich: „Ich war damals von dem Remmidemmi im Musikunterricht so begeistert, dass ich meinen Schulranzen statt auf dem Rücken zu tragen vor den Bauch geschnallt habe und auf dem Heimweg rechts und links auf imaginäre Tasten und Knöpfe gedrückt habe“.
Vater Pax hat sich das nicht allzu lange angesehen sondern dachte sich: „Beim nächsten Weihnachten fangen wir mit einem richtigen Akkordeon mit 48 Bässe an.“ Aber auch wenn das Ding klein war, so war es trotzdem nicht billig, zumal die Leute 1957 – und damit gerade mal zwölf Jahre nch Kriegsende – eigentlich andere Probleme hatten, als Akkordeons zu kaufen. Gleichwohl: Vater Pax war nicht der einzige, der seinem Sohn ein kleines Instrument und später besagte Hohner Verdi kaufte, so dass Lehrer Peters schon bald ein kleines Ensemble hatte, mit dem er zum Beispiel bei Veranstaltungen des Kirchbauvereins unentgeltlich auftrat. Dessen Honoratioren waren froh, so eine kostenlose Unterstützung bei ihren Bemühungen, Geld für den Kirchenbau zu sammeln, zu bekommen. Gespielt wurden zunächst einfache Stücke aus den „Fidelio-Heften für die Grundschule 1 und 2“ in C-Dur. Einzelunterricht gab es bei Peters in einer Müllekovener Halle, früher „kulturelles Zentrum“ des Ortes, heute von einem Gewerbetreibenden genutzt, für zwei D-Mark die Stunde. Gibt es Unterschiede zwischen den Proben heute und den Übungsstunden früher? „Das war damals nicht so locker, wie das heute ist. Peters war auch als Dirigent eine Respektperson – der Herr Lehrer eben.“ Allerdings hat man sich als Jugendlicher im pubertären Alter schon mal das eine oder andere herausgenommen, was die Proben störte (Anm. d.Red.: Das soll ja heute bisweilen auch schon mal der Fall sein). Herbert Pax bedauert, dass der Kontakt zu Peters irgendwann abgerissen ist und sein Name allmählich in Vergessenheit geriet, denn: „Der war ein guter Mann.“
Als die Gruppe der Akkordeonspieler immer größer wurde, wuchs nicht nur der Schwierigkeitsgrad der Musikstücke, sondern man kam auch aus dem „Dunstkreis“ Müllekovens hinaus und fuhr zum Beispiel mehrfach nach Dernau an der Ahr, wo man gemeinsam mit örtlichen Gesangvereinen auftrat. Der Vater eines Mitspielers, ein Dachdecker, hatte dort eine Jagd und hatte die Verbindung hergestellt. Die gemeinsamen Fahrten mit den Eltern in einem gecharterten Bus waren wirkliche Erlebnisse, „denn damals hatte ja kaum jemand ein Auto,“ erinnert sich Herbert Pax an den beschaulichen Winzerort, den er auch heutzutage noch manchmal besucht. Diese Fahrten sind prägende Kindheitserinnerungen geworden und so ist es kein Wunder, dass er sich wünscht, man würde die 60 Jahre alten Kontakte wieder einmal aufleben lassen.
1960 haben die Eltern der Kinder aus dem Orchester einen gemeinnützigen eingetragenen Verein gemacht. „Die Vereinsgründung ist an uns Jugendlichen aber verbeigegangen,“ so Herbert Pax. „Wir haben nur mitbekommen, dass das was Gutes war, was aus organisatorischen Gründen sein musste.“
Als Herbert Pax gegen Ende der 1980er-Jahre seine Verdi für lange Jahre in den Keller stellte, war das aber nicht das Ende der Verbindung zur Musik, denn er war zu diesem Zeitpunkt ja Mitglied in einer erfolgreichen Band und nicht nur das: Er baute auch drei Wersi-Orgeln, zweimanualig mit Pedal, und machte damit und später mit mit dem Keyboard Musik und brachte auch die Kinder – zumindest für einige Zeit – mit der Musik zusammen: Die Tochter wollte Akkordeon spielen, der Sohn spielte Keyboard, bis er sich einmal den Fuß gebrochen hatte.
2007 hatte Herbert Pax dann Zeit und Muße und er erinnerte sich an sein Akkordeon, an dem der Zahn der Zeit genagt hatte. 900 Euro hätte die Reparatur bei einem Akkordeonbauer in Altenberg gekostet, ein finanzieller Aufwand der sich nicht lohnte. Also kaufte er ein neues Instrument, wenn auch mit Hindernissen, denn zwei Mal kam das neue Akkordeon mit Schäden an: Einmal war es „eingeblötscht“, beim zweiten Mal hatte das Gerät einen Dauerton. Die alte Verdi steht aber auch jetzt noch im Keller. Verkaufen kann man sie ruhigen Gewissens nicht und wegwerfen mag Pax sie nicht – der Nostalgie wegen.
„Frecher Brief“ an den Vorstand
Beim Wiedereintritt in das Akkordeonorchester Müllekoven, in dem er damals wie heute die vierte Stimme spielt, hat sich Herbert Pax zunächst nicht Freunde gemacht, denn er hatte einen „frechen Brief“ an den Vorstand geschrieben, weil dieser („Genaues wusste ich zwar nicht, aber irgendwas war da wohl vorgefallen“) den damaligen Dirigenten Schmitz, der auch ein Streichorchester in Beuel leitete, wohl loswerden wollte.
Dumm nur, dass er seinen Beschwerdebrief abgeschickt hatte, ohne zuvor auch die andere Seite zu hören. „Ich habe mich dann mit zwei Flaschen Wein beim Vorsitzenden entschuldigt und der hat die Entschuldigung auch angenommen. Im Orchester traf Pax dann allerdings nicht mehr auf Mitspieler aus der Zeit der Orchestergründung. Christa Stiller und Hans-Jürgen Petrauschke kannte er auch nur deshalb, weil beide ebenso wie er selbst „alte Müllekovener“ waren. Und so ist Pax – ob es ihm recht ist oder nicht – doch etwas Besonderes, nämlich das einzige Gründungsmitglied im Verein.
Inzwischen ist es spät geworden und als ich mich mit ein paar Weihnachtsplätzchen auf den Heimweg machen will, mahnt Herbert Pax noch einmal: „Schreib bitte nicht so über mich, dass die Leute denken, ich wolle mich hervortun“.
(Herbert Bohlscheid)
Gründungsmitglied Herbert Pax (hintere Reihe Mitte) mit dem AOM-Orchester Mitte der 60er Jahre.